Autor: Denis Pfeiffer
Epikurs Vorstellung von Philosophie unterscheidet sich von derjenigen Aristoteles’ und Platons dahingehend, dass er sie nicht als komplexe Disziplin begreift, deren Erschließung einen hohen Lernaufwand und das Hinzuziehen besonderer Kenntnisse erfordert, sondern sie, in diametralem Gegensatz hierzu, für einfach und leicht zugänglich hält. Höchstes Gut und Ziel (telos) im engeren Sinne ist die Glückseligkeit (eudaimonia). Sie ist – in dieser Hinsicht geht er mit der weit verbreiteten aristotelischen Auffassung konform – dasjenige Gut, das sich selbst genügt und keinem anderen Gut als Zweck dient (ad id omnia referri). Ein wichtiges Kontrastmerkmal gegenüber vielen anderen (gerade auch den anderen hellenistischen) Philosophien besteht dabei in dessen konkreter, positiver Bestimmung. Epikur nämlich identifiziert das erstrebenswerte Gut, das Telos im prägnanten Sinne, explizit als Lust (h¯edon¯e). Ihr steht das größte Übel gegenüber, die Unlust. Als Begründung hierfür bedient er sich lediglich einer empirischen Feststellung: Es sei offensichtlich, dass der Mensch von Natur aus nach Lust strebe und gleichzeitig versucht sei, dem Schmerz bzw. der Unlust auszuweichen. Dass eine solche instinktiv bestehende, natürliche Veranlagung – zumindest in epikureischer Lesart – bereits in den Verhaltensmustern von Babys und Kleinkindern, also Lebewesen, die von externen Einflussfaktoren wie religiösen oder sittlichen Wert- und Normgefügen vollkommen unabhängig sind, vernehmbar ist, zeige doch dann eindeutig, dass diese Handlungsimperative »natürlich« (im Sinne von: der Natur des Menschen entsprechend) und damit gut sind. Lust und Unlust werden, hierauf aufbauend, zugleich als die beiden Grundempfindungen des Menschen festgesetzt; einen mittleren (neutralen) Zustand wie noch bei den Kyrenaikern gibt es nicht. Lust und Unlust bilden damit so etwas wie die polaren Ausdrucksformen des Verhältnisses zwischen empfindendem Individuum und Welt. Erstere ist zu erstreben, letztere zu meiden. Erst vor diesem Hintergrund ist einsichtig, warum Unlustfreiheit und höchste Lust in Epikurs bipolarer Lustkonzeption als in der Sache identisch angenommen werden.