Autor: Marcel Kückelhaus
„Was würdest du denn sagen, wenn deine Mama dir verbietet deinen Bruder zu schlagen, dir dann aber erlaubt all die Schokolade aus seinem Adventkalender zu essen?“ – Was an den Halloweenstreich des US-Amerikanischen Talk-Show-Hosts Jimmy Kimmel erinnert (Youtube: „I Told My Kids I Ate all Their Halloween Candy“) war der Beginn einer Schaudebatte des Heidelberger Debattierclubs ‚Rederei‘. Das Thema: „Ziviler Ungehorsam, ein legitimes Mittel gegen den Klimawandel?“. Dies wurde im Rahmen der sogenannten Public Climate School, die vom 25.11. – 28.11.19 stattfindet, im Kirchhoff-Institut für Physik diskutiert.
Für alle Debattierneulinge, so lief es ab: Auf jeder Seite sitzen drei Redner*innen, denen abwechselnd 6 Minuten zur Verfügung stehen, um ihrer Meinung Ausdruck zu verleihen – und das, ob sie wollen oder nicht. Denn die Position, für welche sie argumentieren, wird willkürlich ausgelost. Fragen und Einwürfe der Opposition sowie des Publikums sind erlaubt – jedoch nur von Minute zwei bis Minute sechs (eingeläutet, oder vielmehr eingehämmert, wird dieser Zeitraum durch einen Schlag mit einem Richterhammer). In den geschützten Minuten davor und danach werden erhobene Hände nicht geduldet und direkt vom ersten Redner mit einem lapidaren: „Jetzt noch nicht!“ und einem „Gleich!“ abgeschmettert, ohne sich weiter aus der Ruhe bringen zu lassen. Der Atmung wird während des Vortrags ebenfalls keine Beachtung geschenkt. Auch sie hat nicht das Recht die Argumentation zu unterbrechen und mit jeder vergehenden Minute scheint das Sprachtempo sich zu erhöhen, um so viele Wörter wie möglich in die verbleibende Zeit zu einzufügen, und dann läutet auch schon die Glocke. Die Zeit ist überschritten und der Redner wird mit wüstem Gebimmel unterbrochen, seine letzten Worte werden übertönt. Wie bei den ‚Großen‘ im Bundestag wird auf die Sprechzeit penibel geachtet und als Zuschauer*in erwartet man schon beinahe, die „Order“- Rufe des ehemaligen Speakers John Bercow, doch es bleibt beim Läuten und Hämmern.
Schlag auf Schlag folgen nun Argumente und Gegenargumente der zwei Parteien und alle kämpfen um ihren Standpunkt: Hambacher Forst, Spaltung der Fridays for Future-Bewegung, Raufereien zwischen Geschwistern sowie Weihnachten („Das Klimapaket ist das schlimmste Paket, das wir unter dem Weihnachtsbaum hätten finden können.“); all dies sind Schlagworte, die begeistern und überzeugen sollen. Dabei versäumen beide Seiten klar zu definieren, was sie denn unter „zivilem Ungehorsam“ verstehen. Am Ende profitiert davon die contra-Position, die es immer wieder schafft, das Gewaltpotential eines offensiven Klimaprotests hervorzuheben und zu verurteilen. Es ist dann allein der erste (von zwei) freien Rednern (ein Politikwissenschaftler), der sich um eine genaue Definition bemüht und es schafft, fundierte Argumente für die Pro-Seite anzuführen.
Von Kindergartenrhetorik über religiöse (fast schon abgedroschene) Metaphorik und Harry-Potter-Vergleiche gelingt es einigen Sprecher*innen am Ende doch, spannende und nuancierte Argumente vorzubringen, welche die Debatte um den Klimaschutz und die Maßnahmen der Klimabewegungen durchaus bereichern. Im Ganzen war es eine beeindruckende Leistung der Mitglieder des Debattierclubs ‚Redrei‘, die nicht nur einen interessanten Einblick in die Klimadebatte erlaubten, sondern auch einen Eindruck der Debattenkultur an der Universität Heidelberg vermittelten.
Interesse mitzudebattieren? Der Debattierclub trifft sich jeden Mittwoch um 20.15 Uhr über dem Marstall-Café. Jede*r ist willkommen zu diskutieren und ihre*seine Argumentationsfähigkeit zu testen und auszubauen. Mehr Infos unter: https://rederei-heidelberg.de/