Denkanstoß zum Impfen

Autor: Denis Pfeiffer

Seitdem der Krieg in Syrien und seinen Nachbarstaaten zum traurigen Alltag geworden ist, haben sich auch die medizinischen Versorgungssysteme in diesen Ländern drastisch verschlechtert. Dabei sind längst in Vergessenheit geratene Krankheiten, wie zum Beispiel Polio, wieder ausgebrochen. Vor dem Krieg (2009/2010) waren es noch 99% der unter 5-jährigen Kinder, die gegen Polio geimpft waren, im Jahr 2012 sanken die offiziellen Zahlen von UNICEF und WHO bereits auf 68%. Ende 2013 wurde erstmals seit 14 Jahren ein erneuter Ausbruch der Kinderlähmung in Syrien dokumentiert.

Ein Virus breitet sich mit großer Geschwindigkeit aus, ungeachtet aller errichteten Landesgrenzen. Gleichzeitig nimmt die Masse der Flüchtlinge seit Beginn des Krieges immer weiter zu und so auch die Verunsicherung in der deutschen Bevölkerung. Die Akademie für Kinder- und Jugendmedizin e.V. (DAKJ) warnt davor, dass auch in Deutschland längst besiegt geglaubte Krankheiten wieder aufflammen könnten. Gegen viele Krankheiten existieren bereits Impfungen, sodass einer Verbreitung entgegengewirkt werden könne – vorausgesetzt die deutsche Population nehme diese in Anspruch. Doch die Gefahr eines Krankheitsausbruchs gehe nicht nur von Flüchtlingen aus, sondern auch von eben den deutschen Eltern, die ihre Kinder nicht impfen ließen.

Durch den rasanten Wandel der Technologie geraten impfkritische Stimmen vermehrt in die öffentliche Diskussion und lassen das Thema „Impfen“ in einer noch nie zuvor dagewesenen Dimension erscheinen. Dabei stammen diese aus den verschiedensten gesellschaftlichen Milieus, und nicht selten vom medizinischen Fachpersonal selbst.

Sollte sich die soziale Norm hinsichtlich der Prävention durch Impfungen wandeln, das heißt, die Mehrheit der Bevölkerung würde diese ablehnen, dann hätte das schulmedizinische Konzept einer durch Impfungen immunisierten Gesellschaft an Glauben verloren. Doch was wären die Folgen, wenn eine Immunität von 95% nicht mehr sichergestellt werden könnte? Würden wir eine Renaissance der Infektionskrankheiten erleben, die einen massiven Anstieg der Sterbezahlen durch Krankheitsepidemien zufolge hätte?

Impfkritiker weisen darauf hin, dass bestimmte Krankheiten durchgemacht werden sollten bzw. durch eine gesunde Lebensführung erst gar nicht zum Vorschein kämen. Doch kann in unserer heutigen Gesellschaft überhaupt von einer gesunden Lebensweise gesprochen werden? Bereits im jungen Alter sind Kinder wegen unsicherer Eltern-Paarbeziehungen, wirtschaftlichen Schwierigkeiten der Familie aber auch im schulischen Bereich durch einen uneingeschränkten Bewältigungsdruck psychisch überfordert. Zugleich haben körperliche Aktivitäten insbesondere durch die Technisierung der Umwelt und den Medienkonsum abgenommen. Kann es demnach überhaupt eine stabile Grundlage für eine impffreie Gesellschaft geben?

Es wäre interessant zu erfahren, ob impfkritische Menschen – besonders die Riege der Gebildeten und Informierten – Impfungen, wie zum Beispiel die gegen Tollwut und Gelbfieber, vor einer Auslandsreise in entsprechend gefährdete Gebiete ebenfalls ablehnen. Oder stehen sie nur Impfungen kritisch gegenüber, die in Deutschland durch starke Impfquoten bereits in den Hintergrund gedrängt worden sind? Sollte eines Tages also beispielsweise ein Impfstoff gegen Demenz entwickelt werden, würden Impfgegner auch diesen nicht in Anspruch nehmen?

Das Bewusstsein für die Gefahr durch impfpräventable Erkrankungen sinkt, gleichzeitig werden seltene Komplikationen deutlicher wahrgenommen. Und genau das könnte der ausschlaggebende Grund für eine allgemein impfkritische Haltung in Deutschland sein. Nichtsdestotrotz lässt sich der größte Teil der deutschen Bevölkerung impfen und ist von der Wirkungskraft von Impfungen überzeugt – so auch Hillary Clinton in einem Twitter-Post: “The science is clear: The earth is round, the sky is blue, and #vaccineswork. Let’s protect all our kids.